Haushaltsrede 2025
Gehalten von Dirk Szagunn in der Ratssitzung vom 12. März 2025
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, sehr geehrte Kolleg*innen, liebe Bürger*innen und Mitarbeiter*innen der Verwaltung, sehr geehrte Frau Stadtdirektorin Grehling. Zunächst möchten auch wir uns für die Erstellung des Haushaltsentwurfs bei Ihnen und Ihrem Team bedanken. Wir wissen die Arbeit daran sehr zu schätzen. Herrn Kind möchten wir auf diesem Weg alles Gute für seine neue Stelle wünschen und uns für die bisherige Arbeit im FB20 bedanken.
Mit großem Interesse habe ich letzte Woche Ihr Interview in der Zeitung gelesen mit der Überschrift „Wann ist Aachen eigentlich pleite?“. Ich fand das Interview sehr spannend und informativ, nur leider sind Sie uns da die Antwort schuldig geblieben, wann Aachen nun pleite ist.
Vielleicht können Sie die Antwort in der nächsten Sitzung des Finanzausschusses unter Mitteilungen nachreichen.
Wir stehen heute vor der Aufgabe, den Haushalt für das Jahr 2025 zu beraten und zu beschließen – eine Aufgabe, die weit mehr ist, als das Abhaken von Zahlenkolonnen. Ein Haushalt ist nicht nur ein Rechenwerk, sondern Ausdruck unserer politischen Verantwortung und unseres Gestaltungswillens für die Zukunft unserer Stadt.
Die Herausforderungen sind groß: Klimakrise, soziale Gerechtigkeit, wirtschaftlicher Wandel – all das fordert uns heraus, kluge Entscheidungen zu treffen, die Aachen voranbringen.
Der Haushalt weist ein Defizit von fast 75 Mio. € auf. Ein Defizit, das nur durch die vorhandene Ausgleichsrücklage abgefedert werden kann und uns so Handlungsfähigkeit sichert.
Bei einem Haushaltsdefizit verfallen die ein oder anderen Politiker*innen sofort in den Sparmaßnahmenmodus.
Gespart wird dann schnell bei den schwächsten und marginalisierten Gruppen in diesem Land, wie z.B. bei Bürgergeldempfänger:innen und Schutzsuchenden. Vor Ort werden Öffnungszeitung von Museen und Kultureinrichtungen gekürzt. Das Projekt Demokratie leben können wir uns nicht in voller Form leisten, weil die Bundesmittel nicht mehr nach Aachen fließen und für weitere benötigte Stellen in der Schulsozialarbeit fehlt der politische Wille und das Geld.
Die kommunalen Haushalte haben ein grundsätzliches strukturelles Problem und das natürlich nicht nur in Aachen. Große Vermögen wachsen immer stärker, die 500 reichsten Deutschen konnten ihr Vermögen von 2023 auf 2024 um über 50 Mrd. € auf über 1.100 Mrd. € steigern, während in der Politik darüber gestritten wird, ob man Bürgergeldempfänge*innen oder Schutzsuchenden die Mittel stärker kürzen kann, oder direkt beiden Gruppen?
Hingegen wird krampfhaft alles vermieden, was den Superreichen missfallen könnte, wie z.B. eine Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer oder die Schließung von Steueroasen in Europa. Wo diese Ungleichverteilung und Ungleichbehandlung hinführt, können wir gerade in den USA betrachten.
Doch kommen wir zu unserem Haushalt. Es gibt Punkte, die finden wir sehr gut und es gibt Aspekte, die wir richtig schlecht finden. Fangen wir mit einigen positiven Beispielen an:
Haus der Neugier
Besonders die VHS leidet akut unter ihrer Unterbringung im Bushof, einer maroden Immobilie. So kann man nur schwer ein gutes Lernklima schaffen. Im neuen Haus der Neugier, mit Sicherheit das größte Projekt in Aachen, wird VHS und Stadtbibliothek ein gemeinsames Wirken unter einem Dach ermöglicht, ein moderner Lernort geschaffen und ein aktuell verwaister Ort in der Stadt mit Leben füllen.
Verkehrswende/ Wärmewende
In der Wärmewende stehen der Stadt und den Aacher*innen gewaltige Aufgaben bevor, die uns die nächsten Jahre – oder eher Jahrzehnte – beschäftigen werden. Die Stadt muss hier unter- und oberirdisch stark umgebaut werden. Vieles läuft gerade an, hat aber lange Planungs- und Bauzeiten. Wir müssen das „Gemecker“ über die Baustellen aushalten, jede der Maßnahmen hat ihre Berechtigung. Wir haben schlicht keine andere Wahl.
Ein wichtiges Mittel, um den Gegenwind zu mildern, ist der ÖPNV-Ausbau. Da wünschen wir uns mehr Engagement. Ein attraktiver ÖPNV und eine attraktive Radinfrastruktur sind die Grundlage für eine erfolgreiche Verkehrswende. Nur wer gute Alternativen nutzen kann, verzichtet auch auf die Bequemlichkeit einen PKW zu nutzen.
Sportplatz für Alemannia
Die Fraktion DIE Zukunft hat sich zu den Vorwürfen zu rechten Tendenzen in der Vereinsspitze klar, laut und deutlich positioniert. Und die aktuellsten Entwicklungen im Prozess um Kevin P. geben uns Recht, es ist sogar alles noch deutlich schlimmer. Umso übler finden wir, dass der Aufsichtsratsvorsitzende bei der Alemannia, der übrigens CDU-Mitglied und Bezirksamtsleiter in Eilendorf ist, sich mit Herrn Mobertz beim Karneval ablichten lässt und von „komischen Zeiten“ spricht. Nach Distanzierung oder Problemverständnis klingt das für uns nicht.
Trotzdem bringen wir uns auch hier selbstverständlich konstruktiv ein und haben den Antrag gestellt, den alten Sportplatz an der Emmastraße für den Trainingsbetrieb herzurichten. Neben aller Kritik möchten auch wir, dass der Verein unter guten Bedingungen trainieren und spielen kann.
Wo Licht ist, ist auch Schatten – Was wir deutlich kritisieren müssen:
Kindertagespflege
Die Situation in der Kindertagespflege ist weiterhin ungewiss. Wir wissen, dass viele Kindertagespflegepersonen bald in den wohlverdienten Ruhestand gehen und dass das Konzept Kindertagespflege für viele Eltern eine tolle Möglichkeit der Betreuung ist. Wir fordern weiterhin bezahlte Kranken- und Urlaubstage für diese Berufsgruppe, um diesen anspruchsvollen Job attraktiver zu gestalten. Jetzt wird der ein oder andere sagen, aber wir haben doch so tolle Zahlen im diesjährigen Kitabedarfsplan. Das ist auch auf den ersten Blick richtig. In der Ü3 Betreuung kommen wir fast an 100% und im U3 Bereich erreichen wir fast das gesetzte Ziel von 50%. Aber wie ist da eigentlich der wahrhaftige Bedarf. Das gesetzte Ziel von 50% ist vor Jahren von der Politik benannt worden. Warum geht man eigentlich nicht hin und macht beim Standesamt eine Erhebung für den Betreuungsbedarf, sobald ein Kind geboren wird und fragt die Eltern nach ihrem Bedarf?
Schulsozialarbeit
Wurde hier zum Haushalt 2023 noch der von den Schulen gemeldete Bedarf gedeckt, sind es 2024 nur noch 2 von 9 gewünschten Stelleneinrichtungen gewesen und dieses Jahr, bis jetzt, gar keine, da die Koalition seit nun mehr als einem Jahr lieber auf ein Konzept der Verwaltung wartet, als den Bedarf zu decken, der dieses Jahr noch gar nicht ermittelt wurde. Wir haben uns also selbst die Mühe gemacht und nachgefragt. Der Bedarf ist hier nach wie vor groß, es gibt Probleme mit „Absentismus“ einem Euphemismus für „die Schüler*innen kommen einfach nicht zum Unterricht“. Von einer Schule hörten wir, dass man aus Solidarität mit anderen Schulsystemen auf eine weitere Bedarfsmeldung verzichte. Wir hoffen, dass hier das Warten auf neue Stellen bald, mit der Einführung des Konzepts, ein Ende hat.
Das „Integrierte Konzept für Attraktivität und Sicherheit“
Wir lehnen es weiterhin ab, bettelnde Menschen aus der Innenstadt zu vertreiben. Der Rat hat Ende letzten Jahres ein Konzept dazu beschlossen, wie diesen Menschen „geholfen“ werden soll. Die Umsetzung von guten sozialpolitischen Maßnahmen aus diesem Konzept werden wir selbstverständlich unterstützen. Das Problem: Es ist nur ein Konzept, die Umsetzung muss in vielen kleinen Schritten erst noch erfolgen. Im Konzept ganz oben stehen aber ordnungspolitische Maßnahmen, die sofort scharf gestellt wurden. Den Mitarbeitenden des Ordnungsamtes fällt damit die – wenig beneidenswerte – Aufgabe zu, bettelnde Menschen aus großen Bereichen der Innenstadt zu vertreiben. Die Probleme – Armut, Suchtproblematiken und Wohnungslosigkeit – werden damit nicht gelöst, das sichtbare Symptom „Straßenbetteln“ wird nur verlagert und die Menschen schlicht in andere Bereiche der Stadt vertrieben. Unsere Gesellschaft möchte den Anblick dieser Menschen anscheinend nicht mehr ertragen, „Aus den Augen, aus dem Sinn?“. Wir finden das absolut unwürdig!
Ich komme zum Ende der Haushaltsrede der Fraktion DIE Zukunft:
Es wird Sie nicht überraschen, unter den gegebenen Umständen lehnt die Fraktion DIE Zukunft den Haushalt für das Jahr 2025 ab!