Haushaltsrede 2022
Gehalten von unserem Fraktionsvorsitzenden Jörg Bogoczek (Volt).
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren,
zunächst einmal vielen Dank von unserer Fraktion “DIE Zukunft” an die Oberbürgermeisterin Frau Keupen, Kämmerin Frau Grehling und insbesondere die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Erarbeitung und Vorlage des Haushaltsplans 2022.
War der Haushaltsplan 2021 aufgrund einer fehlenden Ratsmehrheit noch geprägt vom Willen aller Fraktionen, einen gemeinsamen Haushalt bzw. Konsens zu verabschieden, ist diese gemeinsame Aufbruchstimmung, das Bestmögliche für unsere Stadt Aachen zu erzielen, beim Haushalt 2022 verloren gegangen.
Im letzten Jahr haben sich CDU und SPD oftmals einen Wettkampf geliefert und kaum eine Gelegenheit ausgelassen, die Oberbürgermeisterin und die Inhalte ihrer Politik öffentlich anzugehen. So kam z.B. seitens der SPD die Spitze: „Die Politik macht ja ihre Hausaufgaben, die Verwaltung kommt ja nicht hinterher!“
Ich erinnere an das unsägliche Vorgehen der CDU in Sachen Vaalserstraße, die Stöcke die man Henning Nießen bei der Wahl zum Vorsitz des Polizeibeirats zwischen die Beine geworfen hat oder die bösen Zungen im Mobilitätsausschuss.
Gerade unter dem Aspekt ist es geradezu grotesk, dass die Grünen nun mit der CDU einen gemeinsamen Haushalt aufgestellt haben.
Und dann die inhaltlichen Differenzen. Beispielsweise der Ratsantrag der CDU für eine sogenannte „Schnelleingreiftruppe“, die das Ordnungsamt verstärken soll, um hilfsbedürftige Menschen zu vertreiben.
Im August letzten Jahres teilte Frau Lürken von der CDU im Rückblick auf ein Jahr Ratsarbeit, bzw. im Vorfeld des Haushalts 2022 mit, dass kleinere Fraktionen froh seien, wenn es keine Koalitionen gibt und diese als Mehrheitsbeschaffer gebraucht werden. Wir als “kleinere” Fraktion möchten hierzu anmerken, dass wir uns nicht als Mehrheitsbeschaffer sehen. Für uns gilt, das Bestmögliche im Haushalt 2022 im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger und der Stadt Aachen umzusetzen. Praxis und lösungsorientiertes Handeln stehen bei uns im Vordergrund.
In den Haushalt 2022 wurde keine unserer Forderungen für den Bereich Klima- und Umweltschutz aufgenommen.
Die von uns aufgeführten Posten, für die Planung eines Pilotprojekts für die Errichtung einer Rigole im öffentlichen Bereich zur Umsetzung einer Komponente des Schwammstadtprinzips, wurden gemeinsam von CDU und Grünen abgelehnt.
Die Bereitstellung von Mitteln für die Errichtung eines Schnellladekatasters als städtebauliches Planungsinstrument wurde gemeinsam von CDU und Grünen abgelehnt.
Ein Gutachten zur Untersuchung des Fluglärms der umliegenden relevanten Europäischen Flugverkehrsknoten als Faktenbasis für die Positionierung der Aachener Politik wurden von CDU und Grünen ebenfalls abgelehnt.
Lustigerweise gab es letzte Woche eine Delegation aus Aachen, die sich mit den Betreibern vom Flughafen Lüttich getroffen hat. Der Chef der Flughafengesellschaft Herr Nicolas Thisquen hat gesagt:“Vielleicht hat der Fluglärm über Aachen und Lüttich nicht zugenommen, sondern die Wahrnehmung der Menschen!“ – An der Stelle wäre es doch schön, wenn wir ein paar valide Fakten hätten, die man dem Herrn Thisquen präsentieren könnte.
Die Wichtigkeit dieser Themenschwerpunkte hätte durch die separate Ausweisung von Haushaltsmitteln für das Jahr 2022 unterstrichen werden können.
Seit der Müllreform, Änderung der Gebührensatzung, im Jahr 2017 hat sich die Zahl der wilden Sperrmüllstellen nahezu verdoppelt. Der von uns im Haushalt geforderte Entfall der Sperrmüllgebühren hätte für eine deutliche Reduzierung des wilden Mülls sorgen können. Stehen Aufwand und Kosten für die Erhebung der Sperrmüllgebühren den entstandenen Kosten für die Räumung wilder Müllstellen durch die Stadt Aachen tatsächlich entgegen?
Lediglich für unsere Forderung zur Fortsetzung des Programms zur Dach- und Fassadenbegrünung konnte ein gemeinsamer Konsens erzielt werden. Eine Berücksichtigung im ursprünglichen Haushaltsentwurf gab es für das Jahr 2022 zunächst nicht. Hier gibt es eine große Diskrepanz. In den Jahren 2019 und 2020 sind von diesen Geldern genau 0 € für eine Umsetzung abgerufen worden. Hier müssen wir Wege finden, damit Aachen endlich sichtbar begrünt wird. In der Verwaltung schlummert noch immer ein Ratsantrag von uns, der die Begrünung einer Häuserzeile als sichtbares Pilotprojekt fordert.
Unter Beibehaltung der schwarz-grünen Zusammenarbeit über den Haushalt hinaus sehen wir die Umsetzung der erforderlichen Mobilitätswende in Aachen gefährdet. Hier komme ich wieder zurück zur Causa Vaalser Straße. Man erinnere sich nur an die Debatte im Rat der Stadt Aachen bezüglich der Umsetzung der Protected Bike Lane. Wie kann unsere Stadtverwaltung zielorientiert die Aktivierung der Haushaltsmittel zur Umsetzung des Radentscheids und der Mobilitätswende bei derart kontroversen politischen Vorstellungen der beiden für den Haushalt bestimmenden Parteien nach vorne bringen? Selbst die per Gesetz vorgeschriebenen, bzw. umzusetzenden barrierefreien Haltestellen sind im Haushalt 2022 nicht mit den entsprechenden Mitteln berücksichtigt worden. Als Signal für den Haushalt 2023 möchten wir daher schon jetzt die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs mit zusätzlichen Haushaltsmitteln für den ÖPNV anmelden.
Vorteilhaft auf zukünftige Haushalte sollte sich für die Stadt Aachen, bzw. anderer nutzender Kommunen der von unserer Fraktion eingebrachte und verabschiedete Antrag für die Umsetzung von OpenSource Software darstellen. Bei konsequenter Anwendung und Bereitstellung der Quellcodes lassen sich für unserer Stadt Aachen und andere Kommunen Kosten bei der zukünftigen Anschaffung und Entwickung von Softwarelösungen einsparen.
Die von uns geforderte bessere Bezahlung der Kindertagespflegepersonen wurde im Kinder- und Jugendausschuss mit Stimmen der CDU und den Grünen abgelehnt. Ziel war eine Anpassung der Kindertagespflege an die Lohnentwicklung der Kinderpfleger*innen und Kindererzieher*innen zu erzielen. Seit 2017 ist keine Anpassung (Ausnahme 3 Cent/h im Jahr 2021 entsprechend Kiebitz-Vorgaben) erfolgt. Begründet wurde die Ablehnung mit der Zuständigkeit des Landes NRW.
Die erfolgte Ablehnung bzw. deren Begründung im Kinder- und Jugendausschuss ist jedoch sachlich falsch; Stundensatz, Urlaubsregelungen etc. werden auf kommunaler Ebene entschieden. Somit hätte die Stadt Aachen hier die Möglichkeit gehabt, dem Fachkräftemangel im Bereich der U3 Kinderbetreuung und deren Wertschätzung durch eine angemessene Lohnsteigerung entgegenzuwirken.
Der von uns geforderten Erhöhung der Mittel für die Bereitstellung von IT-Hausmeistern für die digitale Vorort-Betreuung der Schulen haben wir zwar im Schulausschuss mit einer Erhöhung des Budgets von 60.000 € auf 180.000 € (bzw. 2 Planstellen) entsprochen. Wir halten jedoch daran fest, diese Mittel im nächsten Haushalt auf das von uns ursprünglich geforderte Budget von 240.000 € zu erhöhen. Für die Ausbildung unserer Schülerinnen und Schüler, und wegen der gestiegenen Anforderungen im Hard- und Softwarebereich, muss auch der Haushalt der Stadt Aachen adäquat ausgestattet werden.
Kommen wir zu den Eigenbetrieben. Betrachtet man diese, stellt sich heraus, dass zusätzliche zum Haushalt nicht unerhebliche aufgeführte Verluste enthalten sind: Gebäudemanagement (-14 Mio. €), Aachener Stadtbetriebe (-0,86 Mio. €), Eurogress (-0,7 Mio. €), Kulturbetrieb (-1,8 Mio. €), Theater (-1,4 Mio. €). Zur Offenlegung der Transparenz für den Haushalt 2022 gehört es auch, die Betrachtung dieser im Haushalt nicht ausgewiesenen Verluste aufzuzeigen. Macht in Summe 18 Mio € zusätzlicher Verluste.
Schaut man auf die Höhe der zusätzlichen Forderungen unserer Fraktion zum Haushalt 2022, so wären die Erhöhungen für die Kindertagespflege, der Ausbau von barrierefreien Haltestellen mit jeweils 560.00,00 € bzw. 300.000,00 € die beiden größeren Posten gewesen. Die Umsetzung eines Streetartfestivals mit 70.000,00 € oder die weitsichtigen Planungs- bzw. Gutachterkosten zu den Themen Fluglärm, Schwammstadt, Schnelladekatster hätten ein geschätztes Budget in Höhe von jeweils nur 40.000,00 € erfordert.
Die sofortige Eröffnung der Carolusthermen im Herbst 2021 unter Corona-Bedingungen und der zu diesem Zeitpunkt nicht abgeschlossenen Baumaßnahmen wurde übrigens bis zum Frühjahr mit ca. 1. Mio € richtig??beziffert und vom Rat der Stadt Aachen jedoch ohne die Stimmen unserer Fraktion verabschiedet. Grundsätzlich freut sich auch unsere Fraktion wieder darauf, unsere Therme im Normalbetrieb besuchen zu dürfen.
„Dabei ist zu berücksichtigen, dass der ursprünglich geplante Verlust i.H.v. 4.714 TEUR für das Jahr 2021 noch eine Öffnung zum 1.4. unterstellte.
Blieben die Carolus Thermen zunächst bis zum Jahresende geschlossen, beliefe sich der Verlust für das Jahr 2021 auf 6.627 TEUR und würde den ursprünglich geplanten Verlust um 1.913 TEUR übersteigen.
Die Differenzbeträge für das Jahr 2021 (1.913 TEUR bei weiterer Schließung bzw. 1.785 TEUR bei Öffnung ab 2.11.) sind überplanmäßig bereitzustellen.
Der Aufsichtsrat der Gesellschaft hat sich im Wege des Umlaufbeschlusses für eine Wiedereröffnung zum 2.11.2021 ausgesprochen.“ Ratssitzung 01.09.2021
Analog zur positiven Entscheidung für die Umsetzung von Photovoltaikanlagen auf öffentlichen Dächern im Jahr 2021 fordern wir daher einen Dialog bzw. die Einbeziehung aller Fraktionen, insbesondere bezüglich der Umsetzung der erforderlichen Verkehrs- und Mobilitätswende.
Wir – die Fraktion “DIE Zukunft” – bestehend aus den Ratmitgliedern der Unabhängigen Wähler*innengemeinschaft, Piraten und den beiden Ratsmitgliedern von Volt Deutschland – werden dem Haushalt 2022 aufgrund unserer wesentlichen, jedoch unberücksichtigten Forderungen nicht zustimmen.
Wir wünschen uns für die Zukunft, dass sich die größeren Fraktionen mehr auf ihre inhaltlichen Gemeinsamkeiten fokussieren, statt sich zwischenmenschlich weiter auseinander zu dividieren. Erinnern möchten wir hier zum Beispiel an die gemeinsame positive Entscheidung für die Umsetzung von Photovoltaikanlagen auf öffentlichen Dächern im Jahr 2021.
Eine fehlende Ratsmehrheit erfordert aus unserer Sicht einen breiten Konsens zur Lösung, bzw. Umsetzung der anstehenen Probleme. Dies gilt insbesondere, wenn die beiden am Haushalt wesentlich beteiligten Fraktionen in entscheidenden Fragen zur Verkehrs-, Klima- und Umweltpolitik, sowie bei sozialen Fragen inhaltlich auseinanderliegen.