Haushaltsrede 2023

Haushaltsrede 2023

Jörg Bogoczek – Fraktionssprecher DIE Zukunft/Volt

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

meine Damen und Herren, vielen Dank von unserer Fraktion “DIE Zukunft” an die Oberbürgermeisterin Frau Keupen, Kämmerin Frau Grehling und insbesondere an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Stadtfür die Erarbeitung und Vorlage des Haushaltsplans 2023.
Hatten wir letztes Jahr eine kurze Liaison von Grünen und CDU, gibt es dieses Jahr eine feste Koalition von Grünen und SPD. Manche Lieben brauchen ja auch länger. Charles und Camilla haben ja auch etwas länger gebraucht, bis sie zueinander gefunden haben. Wer jetzt Charles oder Camilla bei Ihnen ist, und wer die Rollen von Prinz Harry und Meghan übernimmt muss jeder für sich selber entscheiden.
Diese Haushaltsberatungen waren wesentlich offener und fairer gestaltet, als dies noch im letzten Jahr der Fall war. Im Haushalt 2023 spiegeln sich auch Themen unserer Fraktion wider. Wir hoffen, dass diese Offenheit auch in den nächsten Jahren weitergelebt wird. Best Practice aller Fraktionen zum Vorteil der Stadt Aachen.

Der Haushalt 2023 sieht auf den ersten Blick ganz gut aus. Lediglich 17 Millionen Euro Verlust und eine Neuverschuldung unterhalb von 2,5%. Auf den zweiten Blick kommen jedoch, wie auch bereits in den Vorjahren, die Verluste der Eigenbetriebe in Höhe von ca. 18 Millionen Euro hinzu. Diese stecken ganz klassisch in den Wirtschafsplänen, da hier die Betriebskostenzuschüsse zu niedrig angesetzt worden sind. Auch wenn wir vermeintlich mit 17 Millionen Euro Verlust planen, haben die letzten Jahre gezeigt, dass unsere Stadtdirektorin den Haushalt immer mit Bedacht plant.

Viele private Haushalte befinden sich an der Belastungsgrenze. Neben den globalen Problemen, die das Leben insbesondere durch Preissteigerungen spürbar belasten, gibt es auch Probleme, die hier vor Ort zu lösen sind. In der Kitalandschaft brennt es. In unseren Kitas herrscht ein akuter Personalnotstand, der soweit geht, dass Kitas teilweise nicht öffnen beziehungsweise in die Notbetreuung übergehen müssen. Dies ist eine enorme Belastung für unser Kitapersonal und unsere Eltern. Jüngst haben wir das neue Aachener Modell verabschiedet, was den Einsatz von nicht-pädagogischem Personal ermöglicht. Unsere Fraktion hat an dieser Stelle mit Bauchschmerzen zugestimmt, da die Kinderbetreuung mit dem Rücken an der Wand steht. Es ist ein Armutszeugnis, dass wir es nicht schaffen den Job von Erzieherinnen in Deutschland so zu bezahlen, dass die Attraktivität des Berufes gesteigert wird. Wir verwässern hier gerade die Qualität der Erziehung unserer Kinder. Das gleiche passiert aktuell in der Kindertagespflege. Unser Ansatz ist es, die Kindertagespflege auszubauen, diese zu einem attraktiven Beruf zu gestalten und nachfolgend die Kitas in der U3 Betreuung zu entlasten. Wir sind jedoch aktuell in einer Situation, in der wir darum kämpfen müssen, die aktuelle Zahl der Kindertagespflegepersonen zu halten. Der beruflichen Umorientierung aufgrund der finanziellen Situation durch gestiegene Kosten und Inflation müssen wir entgegenwirken. Wir begrüßen die Erhöhung der Sachkosten für 2023, was ca. 25 Cent/Stunde bedeutet. Nachgebessert werden muss jedoch bei der eigentlichen Bezahlung. Es wird hierzu in den kommenden Monaten einen runden Tisch geben, von dem wir uns erhoffen, dass man für das kommende Kitajahr die Bezahlung anpasst. Im Jahr 2016 wurde die Bezahlung der Kindertagespflegepersonen an die Bezahlung von Kinderpflegerinnen angepasst.
Kinderpflegerinnen haben seitdem eine Lohnerhöhung bekommen, Kindertagespflegepersonen jedoch nicht, bzw. nur eine minimale Indexierung der Lohnkosten, da diese durch das Land geregelt wird. Hier gilt es, die Lücke zwischen den beiden Berufsgruppen durch die Stadt zu schließen. · Aber auch bei den Bäumen gibt es in Aachen immer mehr Lücken. „Wir sind ja alle schon immer für mehr Bäume gewesen!“ hallte es im Rat und in den Ausschüssen. Waren in der Vergangenheit wirklich alle Fraktionen für die Pflanzung von mehr Bäumen? Ich glaube nicht, denn die Baumquote wäre ja sonst positiv. Wir müssen die negative Baumquote der Stadt Aachen durch eine zukünftige Steigerung der ausführenden Kapazitäten und somit auch der erforderlichen finanziellen Mittel ins Positive anheben. Es mangelt in der Stadt Aachen an der Umsetzung der Baumquote. Ab dem Jahr 2024 muss sich eine sichtbare Erhöhung der Baumquote auch im Haushalt widerspiegeln.

Unser Pilotprojekt für Kalte Nahwärme, eine technische Variante eines Wärmeversorgungsnetzes mit relativ geringem Temperaturenniveau für die Bereitstellung von Wärme als auch von Kälte, wurde im Haushalt 2023 nicht berücksichtigt. Für eine Energiewende im Gebäudesektor und die Umsetzung zirkulärer Heizsysteme werden wir dieses Thema auch im Jahr 2023 weiterhin in den Mittelpunkt stellen und es inhaltlich bewerben. Die Energiewende des Gebäudesektors kann nicht auf die Fertigstellung der kommunalen Wärmeleitplanung Mitte-Ende 2024 warten und erst hiernach weitere Maßnahmen beschließen und einleiten. Sehr gut finden wir die Berücksichtigung unserer Haushaltsforderung in Höhe von 50.000 € für die Erstellung eines Modellkonzeptes, das unseren Ratsantrag für ein Konzept Schwammstadt „Aufnahme von Niederschlagswasser in öffentlichen/ halböffentlichen Retentionsräumen“ unterstützt. Also die Möglichkeit, anfallendes Regenwasser in Städten lokal aufzunehmen und zu speichern, anstatt es lediglich zu kanalisieren und abzuleiten. Hochwasserkatastrophen, wie im Jahr 2021, können wir mit der Umsetzung solcher Modellkonzepte entgegenwirken. Mit diesem Pilotprojekt kann die Wirksamkeit dieser Komponente der Schwammstadt bei Extremwetterlagen, wie Starkregenereignissen oder auch anhaltender Trockenheit, in unserer Stadt in einer Modellstrasse dokumentiert werden. Dach- und Fassadenbegrünungen sind ein gutes Mittel zur Verbesserung des Stadtklimas. In den letzten Jahren sind hierfür leider keine bereitgestellten Fördermittel für die Dach- und Fassadenbegrünung bei der Stadt Aachen abgerufen worden. Die von uns geforderten Haushaltsmittel für die Öffentlichkeitsarbeit zur Bewerbung von Dach- und Fassadenbegrünung in Höhe von 20.000 Euro sind der richtige Schritt, damit zukünftig Projekte auch umgesetzt und die hierfür bereitgestellten Fördermittel abgerufen werden. Der Stellenwert von Dach- und Fassadenbegrünung zur Verbesserung der Klima- und Luftqualität muss in der öffentlichen Wahrnehmung stärker in den Fokus gestellt werden. Die Coronapandemie hat in den Schulen viele schon vorhandene Probleme verstärkt und offengelegt. Viele Kinder sind auf der Strecke geblieben, nicht nur was die schulische Leistung angeht, sondern auch in ihrer Entwicklung. Der Staat hat neben einem Bildungs- auch einen Erziehungsauftrag. Ein Auftrag, den Lehrerinnen auch aufgrund von großen Klassen und strikten Lehrplänen oft nicht selbst ausreichend erfüllen
können. Schulsozialarbeit leistet hier einen wichtigen Beitrag, Kinder und Jugendliche in ihrer persönlichen und sozialen Entwicklung zu unterstützen und hilft, diese Defizite zu beheben. Die Schaffung von 6,5 neuen Stellen in der Schulsozialarbeit begrüßen wir deshalb sehr.
In Aachener Schulen gibt es bereits Projekte von Schulgärten. Eine wunderbare Möglichkeit für
Schüler*innen die Natur und das Thema Anbau als Lernprozess zu erleben. Wir haben es möglich gemacht, dass nun weitere Schulen oder Elterninitiativen solche Projekte in Kooperation mit der Stadt starten können.


Wir begrüßen, dass unser Ratsantrag von 2021, in dem wir die Verwaltung aufgefordert haben,
Menstruationsprodukte einfach und kostenlos zugänglich zu machen, nun Früchte trägt und in Zukunft diese Produkte zunächst an allen Aachener Gesamtschulen und stark frequentierten Verwaltungsgebäuden kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Hygieneartikel wie Klopapier oder Seife sind selbstverständlich auf Toiletten zu finden, für Menstruationsprodukte war dies bisher nicht der Fall, was Menstruierende benachteiligt. Dies liegt auch daran, dass Menstruation in unsere Gesellschaft immer noch ein Tabuthema ist, dabei ist sie doch ein natürlicher Vorgang. Die kostenlose Bereitstellung dieser Hygieneartikel ist ein wichtiger Schritt zur Enttabuisierung und Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft.


Apropos Stadtgesellschaft, was wir ausdrücklich begrüßen, ist die bisherige Arbeit der Meffis in der
Mefferdatisstrasse. Sie haben bisher ihre Kraft genutzt, um die Räumlichkeiten zu optimieren. Nun geht es darum, Kontakt mit der Stadtgesellschaft und den angrenzenden Geschäftsleuten aufzunehmen und mit diesen neuen und klugen Ideen einer neuen Stadt zu entwickeln und umzusetzen. Dazu gehören halt auch Gruppen, die sich für effektiven Klimaschutz oder Kultur engagieren. Generell hat die Kultur eine gute Förderung erhalten. Die KASTE-Mittel sind nach wie vor auf einem guten Niveau und das Stadtglühen wurde für die nächsten Jahre verstetigt.
Sehr gut finden wir die weitgehend gemeinschaftlich getragene Idee eines Streetart Festivals für Aachen. So entstehen überall in unserem Stadtbild interessante, bunte und spannende Wegmarken und Hingucker. Ein kultureller Mehrwert als optischer Invest des Stadtbildes.
Ein wichtiger Eckpunkt war für uns auch die Förderung des Rainbow e.V. mit all seinen Gruppen. Die queere Community in Aachen leistet seit Jahren tolle Jugendarbeit und hilft jungen Menschen. Der CSD im letzten Jahre hat gezeigt, wie groß die queere Community ist und deshalb ist es unsere Pflicht als Stadt auch dort zu unterstützen. Neben dem Klimanotstand müssen wir darauf achten, dass die Stadt Aachen in den nächsten Jahren nicht in den Haushaltsnotstand abrutscht. Hier ist zukünftig entsprechend Vorsorge und Zurückhaltung zu wahren.
Die Solidaritätspartnerschaft mit Chernihiv muss im nächsten Haushalt mit einem Budget ausgestattet werden, meint man es mit der Unterstützung ernst.
In den Themen der Verkehrs-, Klima- und Umweltpolitik sowie in sozialen Fragen liegen wir in diesem Jahr näher mit Grünen und SPD zusammen. Wir hoffen, dass der kooperative Stil in der Politik weiter Bestand hat und dass wir auf Augenhöhe Politik machen können. Wir sehen Aachen als moderne, innovative, klimafreundliche und weltoffene europäische Stadt der Zukunft.
Wir, die Fraktion DIE Zukunft, stimmen dem Haushalt 2023 zu.

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