Ratsantrag Gemeinschaftsgarten

Ratsantrag Gemeinschaftsgarten

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,

Die Fraktion DIE ZUKUNFT im Rat der Stadt Aachen beantragt, folgenden Beschluss zu fassen:

Die Verwaltung soll einen Zeit-, Kosten- und Nutzungsplan erarbeiten, welche Standortmöglichkeiten es für einen weiteren Gemeinschaftsgarten, ähnlich dem HirschGrün gibt und wie diese realisierbar sind. Dabei soll die Verfügbarkeit, Innenstadtnähe, der soziale Mehrwert und potenzielle Entwicklungsmöglichkeiten der Biodiversität mit wissenschaftlicher Fundierung im Vordergrund stehen. Insbesondere das Grundstück zwischen Blücherplatz, Sigmundstr., Aretzstr. (Abb. 1) soll dabei unter Berücksichtigung der oben genannten Faktoren geprüft werden.

Abbildung 1 Öffentliche Grünfläche im Dreieck Blücherplatz, Sigmundstr. & Aretzstr.

Ausführung:

Das Projekt HirschGrün bietet viele Vorteile für die Aachenerinnen und Aachener. Diese werden im Folgenden skizziert und sollen in einem zweiten Projekt dupliziert werden. Zudem wird erläutert, warum die Grünfläche am Blücherplatz von besonderem Interesse ist sowie Vorschläge unterbreitet, um ein Projekt auf der Grünfläche am Blücherplatz zu realisieren und ähnliche Effekte zu erreichen.

  1. Stadtnaher Erholungsraum & Stärkung des sozialen Gefüges

Der HirschGrün ist ein sozialer Treffpunkt, an dem verschiedenste Menschen zusammenkommen und sich austauschen. Insbesondere sozial benachteiligte oder unterversorgte Gruppen der Gemeinschaft profitieren davon [BfN]. Die vermittelte Gesellschaft führt zu Synergien und einer generellen Aufwertung der Nachbarschaft, ganz ähnlich wie Projekte im Rahmen von Aachen Nord. Er bietet auch Menschen ohne eigenen Garten die Möglichkeit, Natur und Erholung zu genießen und stärkt dadurch Gesundheit, Wohlbefinden und das Bewusstsein für Umwelt, das soziale Umfeld und die eigene Stadt. Sekundäre Wirkungseffekte können zudem erreicht werden, wenn die Vegetation auf maximalen Nutzen ausgerichtet wird.

  1. Stärkung der Frischluftschneisen & Abschwächung von Extremwetterereignissen

In den letzten Jahrzehnten wurde das Aachener Stadtgebiet zunehmend verdichtet und dadurch auch Frischluftschneisen bebaut. Dies Tatsache resultiert in zunehmend schlechten Luftwerten, die zu regelmäßigen Überschreitungen der Luftschadstoffgrenze u.a. von Stickoxiden führt. Aufgrund der Kessellage der Stadt wird insbesondere bei Inversionswetterlage der Luftaustausch verringert. Das Ausweisen von Grünfläche mit minimaler Bebauung kann helfen, die Kaltluftzufuhr und –sicherung zu verbessern und die Luftschadstoffbelastung zu senken [UBA]. Entsprechende Vegetation kann große Mengen an Luftschadstoffen binden und lokal zu ausschlaggebenden Verbesserungen der Luftqualität führen [US EPA]. Eine Retention oder Erhöhung der Sickerwassermengen kann zudem schon in kleinem Maßstab das städtische Abwassermischsystem entlasten [Bruch et al.].

  1. Erhöhte Artenvielfalt in urbaner Landschaft

Die Erhöhung des lokalen Grünvolumens und Verbesserung der Konnektivität zwischen städtischen Grünstrukturen und dem Stadtumland hat einen signifikanten Einfluss auf die Bereitstellung von Lebensraum für wertvolle Bestäuber wie Schwebfliegen und Wildbienen. Eine kürzlich international publizierte wissenschaftliche Studie des Instituts für Umweltforschung der RWTH Aachen zeigt zudem, dass das Management- und Pflegekonzept von Gemeinschaftsgärten im Vergleich zur ökologischen Ausstattung öffentlicher Parks zu einer signifikanten Verbesserung der Artenvielfalt führt [Daniels et al.]. Diese empirische Studie wurde auf innerstädtischen Grünflächen der Stadt Aachen durchgeführt. Die Gestaltung der Gemeinschaftsgärten hat einen direkten, positiven Einfluss auf weitere wesentliche Ökosystemleistungen, die von den Grünflächen bereitgestellt werden. Hierzu gehören zum Beispiel die Bestäubung, Lebensraum für Flora und Fauna, Luftfilterfunktionen, soziokulturelle Funktionen und viele mehr [Mathey et al., BMUB]. Insbesondere unter Berücksichtigung eines besorgniserregenden Rückgangs der Artenvielfalt und eines fortschreitenden Insektensterbens in der Agrarlandschaft, bieten ökologisch ausgestattete urbane Grünflächen ein bemerkenswertes Potential als Ersatzlebensräume für viele Bestäuber. Gemeinschaftsgärten, explizit das Hirschgrün in Aachen, besitzen aufgrund ihrer strukturreichen Gestaltung und des extensiven Pflegekonzepts einen Vorbildcharakter für die Entwicklung dieser Funktionen [Daniels et al.]. Aus ökologischer Sicht wird eine Erhöhung von Flächenanteilen mit dieser oder ähnlicher Nutzung in stark versiegelten Stadträumen unbedingt empfohlen.

  1. Kostengünstige Grünfläche

Genau wie das Projekt „HirschGrün“ soll eine Selbstverwaltung des Gebietes erreicht werden. Trotz städtischer Vorgaben kann eine kostengünstige Pflege der Grünanlage erreicht werden, da der Einsatz des Stadtbetriebes kaum oder gar nicht benötigt wird. Der große Vorteil vom vorgeschlagenen Standort am Blücherplatz für dieses Projekt ist, dass die Grünfläche derzeit keine Funktion hat und nur zur Querung oder vom Zirkus Roncalli in unregelmäßigen Abständen als Abstellfläche genutzt wird. Sie ist bereits als öffentliche Grünfläche ausgewiesen, sodass keine grundlegenden Änderungen im Bebauungsplan notwendig sind.

  1. Bauliche Vorschläge zur Durchführung am Blücherplatz-Dreieck

Die Grünfläche am Blücherplatz als Grundstück mit innenstadtnaher Lage in einem Wohnviertel das Potenzial als sozialer Treffpunkt des Viertels. Außerdem ist es umgeben von einem Spielplatz (Sigmundstr.), der Schule Eintrachtstr. und dem Kindergarten St. Elisabeth und könnte so besonders Kindern eine naturnahe Erhohlungs- und Lernmöglichkeit geben. Die Fläche liegt im einem bioklimatischen Belastungsgebiet, sodass eine ökologische Stärkung der Fläche das Stadtklima positiv beeinflussen kann [Stadt Aachen] Für den zweiten Punkt können im nächsten Schritt entsprechende Vorgaben von der Stadtverwaltung gemacht und mit der städtischen Einrichtung koordiniert werden. Hinsichtlich einer maximalen Biodiversität schlagen wir vor, anhand wissenschaftlicher Vorgaben Pflanzenarten zur Anpflanzung auszuwählen und als Ratgeber einem Träger zu unterstützen. Um die Lärmbelastung der Hauptstraße Blücherplatz zu verringern und die subjektive visuelle Wahrnehmung zu verbessern, soll eine Hecke mit der Höhe von mindestens 2m entlang der Straße oder um das gesamte Grundstück geschaffen werden. Diese dient gleichzeitig als Barriere zu der stark frequentierten Straße, sofern Kinder das Grundstück nutzen. Um einen noch besseren Bezug zu einem Garten herzustellen, schlagen wir vor, dass ein oder mehrere Obst- oder Nussbaumarten gepflanzt werden, sodass gleichzeitig Aspekte der gesunden Ernährung befördert werden können.

Darüber hinaus kann ein Teil der Grünfläche als Wiesenbereiche mit einer natürlichen, regionalen Wiesengemeinschaft etabliert werden. Dieser Ansatz ließe sich direkt in bestehende Aktivitäten des Fachbereichs Umwelt der Stadt Aachen, des Aachener Stadtbetriebs und der RWTH Aachen integrieren: Das Aachener Projekt FLIP (Förderung der Lebensqualität von Insekten und Menschen durch perfekte Wiesenwelten), gefördert durch das Bundesprogramm Biologische Vielfalt des Bundesamts für Naturschutz (BfN), entwickelt ökologisch wertvolle, regionale Wiesen und fördert so die lokale Insektenvielfalt [BfN2]. Dem politisch und zivilgesellschaftlich formulierten Wunsch einer nachhaltigeren Stadtgestaltung wird auf diese Weise Rechnung getragen. Darüber hinaus sollen installierte Informationsschilder zum Hintergrund und Wert dieser Wiesen einen Beitrag zur Umweltbildung und Akzeptanz der Flächenumgestaltung leisten.

  1. Quellennachweis

[BMUB] BMUB, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Grünbuch Stadtgrün, in: Eyink, H., Heck, B., Dosch, F., Haury, S., Skowski, J., Wahler, B., Willinger, S., Arndt, T., Mayer, F., Hommes, M., Mösch, S. (Eds.), Grün in der Stadt – Für eine lebenswerte Zukunft, 1. ed., Berlin, Germany, 2015.

[BfN] Bundesamt für Naturschutz, Städtische Grünflächen: Eine Handlungsanleitung, 2018.

[BfN2] https://biologischevielfalt.bfn.de/bundesprogramm/projekte/projektbeschreibungen/flip.html, Seitenaufruf: 31.10.2020, 19:09 Uhr

[Bruch et al.] Bruch, I., Kubiniok, J., Neumann, B., Siegl, A., Wasser- und Nährstoffhaushalt im Einzugsgebiet kleiner Fließgewässer auf repräsentativen Flächen im ländlichen Raum des Saarlandes als Grundlage für angepasste kommunale Abwasser- und Regenwasserbehandlungskonzepte – WUNEF, 2000.

[Daniels et al.] Daniels, B., Jedamski, J., Ottermanns, R., Ross-Nickoll, M., A “plan bee” for cities: Pollinator diversity and plant-pollinator interactions in urban green spaces. PLoS One 15(7), 2020.

[Mathey et al.] Mathey, J., Rößler, S., Lehmann, I., Bräuer, A., Goldberg, V., Kurbjuhn, C., Westbeld, A. Noch wärmer, noch trockener? Stadtnatur und Freiraumstrukturen im Klimawandel. BfN, Bundesamt für Naturschutz, Bonn Bad-Godesberg, Germany, 2011.

[Stadt Aachen] Ketzler, G., Paffen, M., Sachsen, T., Schneider, C., Hinzen, A., Kranefeld, A., Anpassungskonzept an die Folgen des Klimawandels im Aachener Talkessel, Aachen, Germany, 2014.

[UBA] Umweltbundesamt, Wittig, S., Schuchardt, B., Natur in der Stadt Städtische Grünflächen und –räume, In: Themenblatt: Anpassung an den Klimawandel, 2013.

[US EPA] United States Environmental Protection Agency, Recommendations for constructing roadside vegetation barriers to improve near-road air quality, 2016.

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