Ratsantrag Geschlechtergerechte Finanzplanung

Ratsantrag Geschlechtergerechte Finanzplanung

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,die Fraktion DIE Zukunft beantragt, im Rat der Stadt Aachen folgenden Beschluss zu fassen:

In den künftigen Haushaltsplanungen der Stadt Aachen soll das Prinzip der “geschlechtergerechten Finanzplanung” zum Tragen kommen. Dazu sollen im Wesentlichen folgende Schritte umgesetzt werden:

  • Analyse des letzten Haushalts nach den unten aufgeführten Kriterien
  • Berücksichtigung der Analyseergebnisse in der Haushaltsplanung für das Jahr 2024

Was ist geschlechtergerechte Finanzplanung?

Geschlechtergerechte Finanzplanung (Übersetzung nach Abschlussbericht des Europarats aus dem Jahr 2004 im Originaltitel “Gender Budgeting” [1] und der offiziellen Definition des OECD [2]) ist ein Konzept, das darauf abzielt, Geschlechtergerechtigkeit in den Haushaltsplänen und finanziellen Entscheidungsprozessen von Regierungen und Organisationen sicherzustellen. Es basiert auf der Erkenntnis, dass staatliche Ausgaben- und Einnahmenpolitik Geschlechterungleichheiten beeinflussen können und dass finanzielle Ressourcen gezielt eingesetzt werden sollten, um Geschlechtergerechtigkeit zu fördern.
Das Hauptziel besteht darin, die geschlechtsspezifischen Auswirkungen von haushaltspolitischen Entscheidungen zu identifizieren und zu bewerten. Dies geschieht durch eine geschlechtsdifferenzierte Analyse der Budgets3, die darauf abzielt, zu verstehen, wie Ausgaben und Einnahmen verschiedene Geschlechtergruppen beeinflussen. Es soll festgestellt werden, ob bestimmte Politiken oder Programme geschlechtsspezifische Ungleichheiten verstärken oder verringern. Im Falle einer starken Ungleichheit können zudem die Erkenntnisse genutzt werden, um bei zukünftigen Entscheidungsfindungen durch einen Mechanismus im Findungsprozess diesen Auswirkungen vorzubeugen.

Geschlechtsdifferenzierte Analyse des Budgets

Die Umsetzung von Gender Budgeting erfolgt in der Regel in mehreren Schritten.

  1. Zunächst werden geschlechtsspezifische Daten erhoben und analysiert, um ggf. bestehende Geschlechterungleichheiten zu identifizieren.
  2. Anschließend werden geschlechtsspezifische Ziele und Indikatoren festgelegt, um diegewünschten Veränderungen zu messen.
  3. Die Haushaltsplanung wird dann unter Berücksichtigung dieser geschlechtsspezifischen Ziele überarbeitet, um sicherzustellen, dass sie die Gleichstellung der Geschlechter fördert.
    Dies kann bedeuten, dass Mittel umverteilt oder neue Programme eingeführt werden, um geschlechtsspezifische Ungleichheiten zu adressieren.
    Ein Beispiel für die Durchführung der Datenerhebung findet sich in der Quelle in Fußnote [3]. Dort wird ein Leitfaden für eine Gender Budgeting Analyse am Beispiel der deutschen Konjunkturpakete I und II zur Verfügung gestellt.

Ziele

Gender Budgeting zielt darauf ab, verschiedene Bereiche zu berücksichtigen, in denen Geschlechterungleichheiten auftreten können, wie z.B. Bildung, Gesundheit, Beschäftigung, soziale Sicherheit und Infrastruktur. Es geht darum, sicherzustellen, dass öffentliche Ressourcen gerecht und effizient verteilt werden, um die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern und geschlechtsspezifische Benachteiligungen abzubauen.
Durch die Integration in politische Entscheidungsprozesse soll Gender Budgeting dazu beitragen, geschlechtsspezifische Ungleichheiten zu verringern und die Lebensbedingungen für alle Geschlechter gleichermaßen zu verbessern. Es ist ein Werkzeug, um sicherzustellen, dass finanzielle Ressourcen gerecht und geschlechtergerecht eingesetzt werden und um eine nachhaltige Entwicklung anzustreben, in der alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht gleiche Chancen und gleichen Zugang zu Ressourcen haben.
Gender Budgeting kann dazu beitragen, verschiedene Probleme anzugehen, die
geschlechtsspezifische Ungleichheiten in der Haushaltsplanung und Ressourcenverteilung
verursachen.

Beispiele für potentielle Bereiche zur Verbesserung des Gender
Budgetings:

  • Unterfinanzierung von Bereichen, die Frauen betreffen:
    Bereiche wie Gesundheitsversorgung, Kinderbetreuung, Bildung oder Gewaltschutz, die überwiegend von Frauen genutzt oder benötigt werden, sind häufig unterfinanziert. Gender Budgeting kann dazu beitragen, diese Unterfinanzierung zu identifizieren und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Mittel entsprechend zuzuweisen. Dies kann dazu beitragen, den Zugang zu qualitativ hochwertigen Dienstleistungen und Infrastrukturen für Frauen zu verbessern.
  • Geschlechtsspezifische Lohnunterschiede:
    Gender Budgeting kann zur Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles beitragen, indem es auf die Förderung der finanziellen Gleichstellung abzielt. Durch eine geschlechterdifferenzierte Analyse der Lohn- und Beschäftigungsbedingungen können finanzielle Hindernisse und Ungleichheiten aufgedeckt werden. Gender Budgeting kann dazu beitragen, Maßnahmen zur Förderung von der Lohngleichheit zu entwickeln, wie z.B. die Umsetzung von Maßnahmen zur Entgelttransparenz oder die Förderung von frauenfreundlichen Arbeitsbedingungen.
  • Geschlechtsspezifische Gewalt:
    Gender Budgeting kann dazu beitragen, die Prävention und den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt zu verbessern. Es kann dazu beitragen, Ressourcen für die Unterstützung von Opfern, Schutzmaßnahmen und Sensibilisierungskampagnen bereitzustellen.
    Durch die geschlechterdifferenzierte Analyse des Budgets können Lücken in der Finanzierung von Programmen gegen Gewalt aufgedeckt und entsprechende Maßnahmen zur Reduzierung von geschlechtsspezifischer Gewalt und zur Bereitstellung angemessener Unterstützung von
    Opfern ergriffen werden.

Best-Practice-Beispiele für erfolgreiche Umsetzungen

Es gibt bereits verschiedene Regierungen (auf kommunaler und Landesebene), die Gender
Budgeting erfolgreich umgesetzt haben. Hier sind einige Beispiele:

  1. Schweden: Schweden gilt als Vorreiter in der Umsetzung von Gender Budgeting. Die
    schwedische Regierung hat seit den 1990er Jahren Gender Budgeting in ihre
    Haushaltsplanung integriert. Sie haben ein System etabliert, das geschlechtsspezifische
    Analysen der Haushaltsmittel erfordert und sicherstellt, dass Ressourcen für Programme
    und Dienstleistungen zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter bereitgestellt
    werden. Dies hat dazu beigetragen, geschlechtsspezifische Ungleichheiten zu verringern
    und die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt und in der Politik zu fördern.4
  2. Kanada: Kanada hat Gender Budgeting als strategisches Instrument zur Förderung der
    Geschlechtergerechtigkeit in der Haushaltsplanung eingeführt. Im Jahr 2017 führte die
    4 https://www.government.se/information-material/2021/12/budge-for-gender–equality/
    kanadische Regierung ein Gender Budgeting Framework ein, das eine
    geschlechtsdifferenzierte Analyse und Bewertung der Haushaltsmaßnahmen beinhaltet.
    Dies hat zu einer verbesserten Berücksichtigung von Geschlechterfragen in den
    politischen Entscheidungsprozessen und zu Investitionen in Bereiche geführt, die Frauen
    und marginalisierten Geschlechtergruppen zugutekommen, wie z.B. Kinderbetreuung,
    Gewaltschutz und Frauenunternehmen.
  3. Barcelona: Die Stadt hat Gender Budgeting als Teil ihres Planungsprozesses für den
    Haushalt eingeführt. Sie haben eine geschlechtsdifferenzierte Analyse ihrer Budgets
    durchgeführt und in Bereiche wie Kinderbetreuung, öffentlichen Verkehr und Gewaltschutz
    investiert, um die Bedürfnisse von Frauen und Mädchen besser zu erfüllen.
  4. Wien: Die Stadt Wien hat Gender Budgeting erfolgreich in ihre kommunale
    Haushaltsplanung integriert. Sie haben ein spezifisches Gender Budgeting Framework
    entwickelt, um geschlechtsspezifische Auswirkungen von Budgetentscheidungen zu
    analysieren und in die Förderung von Geschlechtergleichstellung im Bildungssystem, den
    Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen und die Unterstützung von Projekten zur
    Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt zu investieren.

Weitere Quellen

Spiegel Kommentar
Informationen rund um Mythen
Informationen vom österreichischen Sozialministerium
Leitfaden zur Analyse
Leitfaden zur Umsetzung von Gender Budgeting im Zuwendungswesen
Leitfäden und Checklisten für Gender Mainstreaming

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