Ratsantrag Kalte Nah- bzw. Fernwärmenetze

Ratsantrag Kalte Nah- bzw. Fernwärmenetze

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,

die Fraktion DIE Zukunft beantragt im Rat der Stadt Aachen folgenden Beschluss zu fassen:
Die Verwaltung soll im Rahmen einer kommunalen Wärmeleitplanung ein Kataster für die Nutzung “Kalter Nahwärmenetze” beziehungsweise “ Kalter Fernwärmenetze” unter Einbeziehung effizienter Wärmequellen (Abwärme bzw. Kühlung für die Industrie, Thermalquellen, Geothermie etc… ) und entsprechender Verbraucher als städteplanerisches Instrument entwickeln.

Kalte Nah- bzw. Fernwärmenetze sind eine technische Variante eines Wärmeversorgungsnetzes, das mit niedrigen Vorlauftemperaturen in der Nähe der Umgebungstemperatur arbeitet und sowohl Wärme als auch Kälte bereitstellen kann. Da kalte Nah- und Fernwärmenetze in der Regel optimal für den Einsatz regenerativer Energiequellen geeignet sind, soll dies mit in die beantrage Evaluation einfließen. Insbesondere soll geprüft werden, ob und in welcher Form für den Ausbau eines kalten Nah- und Fernwärmenetzes die Einführung einer Satzung gemäß § 9 GO NRW – Anschluss- und Benutzungszwang erforderlich ist.

Ausführung:
Die Erschließung und Nutzung von Abwärmepotenzial ist in Deutschland aktuell mit diversen Herausforderungen und Hemmnissen verbunden, dazu zählen ökonomische Herausforderungen, gesetzliche Rahmenbedingungen, fehlende Geschäftsmodellen und Standards, sowie eine effiziente Förderlandschaft. Für die Betreiber von Fernwärmesystemen (STAWAG bzw. Regionetz) ist in Zusammenarbeit mit den kommunalen Behörden, ein digitales „Wärmekataster“ zu erstellen, dass sowohl das Abwärmepotenzial als auch potenzielle Wärmeabnehmer räumlich und quantitativ erfasst. Entsprechende Geschäftsmodelle für kalte Nah- und Fernwärmenetze sind zu entwickeln.

1) Klimaschonende Wärme- und Kältenutzung
Eine naheliegende Herangehensweise zur Verbesserung der Klimabilanz ist die gleichzeitige Nutzung von Wärmequellen und Wärmesenken, was allerdings einen relativ kontinuierlichen Prozess mit entsprechendem Potenzial voraussetzt. Dabei liegt der Schwerpunkt neben industriellen Prozessen heute auch auf Rechenzentren, Kältemaschinen oder Abwasserkanälen. Je nach Temperaturniveau dient die Abwärme als Wärmequelle für eine Wärmepumpe. Insbesondere dicht bebaute Innenstadtbereiche erhalten so die Möglichkeit einer klimaneutralen Wärme- und Kälteversorgung. Mischgebiete also nach deutschen Bauplanungsrecht Baugebiete, welche nach § 6 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben dienen, können durch die gleichzeitige Nutzung von Wärmequellen und Wärmesenken besonders profitieren. In Bereichen ohne ausreichende Wärmequellen bzw. Senken kann zusätzlich mit regenerativ erzeugten Energien die Kälte- und Wärmeversorgung erfolgen.

2) Anpassung an sich ändernde Wärmebereitstellung
Durch den Einsatz kalter Nah- und Fernwärmenetze können verschiedene Verbraucher unabhängig voneinander gleichzeitig heizen und kühlen. Zudem können durch die gleichzeitige Nutzung von Wärmequellen und Wärmesenken Synergien geschaffen und die Wärmeversorgung in Richtung einer Kreislaufwirtschaft weiterentwickelt werden. Üblich sind Vorlauftemperaturen im Bereich von ca. 10–25 °C, wodurch diese Systeme deutlich unterhalb herkömmlicher Fern- oder Nahwärmesysteme mit Vorlauftemperaturen von 80°C bis 130° liegen. Herkömmliche Fernwärmenetze nutzen die Abwärme aus Verbrennungsprozessen z. B. der Müllverbrennung oder der Kraft-Wärme-Kopplung. Kalte Nah- und
Fernwärmenetze sind jedoch aufgrund des Unterschieds in der Systemtemperatur optimal für die Nutzung regenerativer Energien eingerichtet.
Im Gegensatz zu herkömmlichen Wärmenetzen erfolgen Warmwassererzeugung und Gebäudeheizung in der Regel nicht direkt über Wärmetauscher, sondern über Wasser-Wärmepumpen, die ihre Wärmeenergie aus dem Wärmenetz gewinnen. Die Kühlung kann dagegen entweder direkt über das Netz (Trennung über einen Wärmetauscher) oder ggf. indirekt über Wärmepumpen erfolgen. Insbesondere herkömmliche Klimaanlagen schädigen über ihren Stromverbrauch und über ihre klimaschädlichen Kältemittel zweifach das Klima. Bei entsprechender Auslegung der Kühlsysteme in den Gebäuden können Klimaanlagen bzw. die Kälteerzeugung durch kalte Nah- und Fernwärmenetzte ersetzt werden. Auch eine Kühlung von Rechenzentren ist über kalte Nah- und Fernwärmenetze möglich.

3) Beitrag zur Netzstabilität
Kalte Nahwärmenetze werden teils auch als Anergienetze bezeichnet. Die Sammelbezeichnung in der wissenschaftlichen Fachterminologie für derartige Systeme lautet auf Englisch “5th generation district heating and cooling”, ”Fernwärme und -kälte der Fünften Generation”. Aufgrund der Möglichkeit, komplett mittels erneuerbarer Energien betrieben zu werden und zugleich einen Beitrag zum Ausgleich der schwankenden Produktion von Windkraft- und Photovoltaikanlagen zu leisten, gelten kalte Nahwärmenetze als vielversprechende Option für eine nachhaltige, potenziell treibhausgas- und emissionsfreie Wärme- und Kälteversorgung.

4) § 9 GO NRW – Anschluss- und Benutzungszwang
Durch die Einführung einer Satzung werden zukünftig auch die entsprechende Erzeuger- und Verbraucherstrukturen berücksichtigt (Einsatz von Wärmepumpen, Einbau von Flächenheiz – und Kühlsystemen wie z. B. Betonkernaktivierung, Fußbodenheizung/-kühlung, Wandheizung und Kühl- und Heizdecken.

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