Ratsantrag Vier-Tage-Woche

Ratsantrag Vier-Tage-Woche

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,

die Fraktion DIE Zukunft im Rat der Stadt Aachen beantragt: 

Beschluss:

Wir beauftragen die Verwaltung zu prüfen, ob ein Modellprojekt zur Vier-Tage-Woche bei gleicher Bezahlung in einem geeigneten Fachbereich/ einer geeigneten Abteilung durchführbar ist und dafür ein Konzept zu erstellen.

Begründung:

Wir leben in einer Zeit, in der die Anforderungen an die Arbeitnehmer*innen immer höher werden und Themen wie die Work-Life-Balance eine immer größere Rolle spielen. Zunehmender Stress führt zu vermehrten psychischen Erkrankungen, wie Burnout, die immer häufiger Grund für Krankschreibungen oder sogar Arbeitsunfähigkeiten sind1,2.  Eine Möglichkeit, diesen Herausforderungen zu begegnen, ist die Einführung einer Vier-Tage-Woche als Modellprojekt in der Verwaltung.

Durch die Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit, können die Gesundheit und das Wohlbefinden der Beschäftigten gestärkt werden, was sich langfristig auch positiv auf die Arbeitsleistung auswirkt. Außerdem ermöglicht die Einführung einer Vier-Tage-Woche eine höhere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. 

Um die Auswirkungen einer Vier-Tage-Woche auf die Arbeitsorganisation und die Mitarbeitenden in der Verwaltung zu testen, schlagen wir vor, ein Modellprojekt zu starten. In diesem Modellprojekt sollen ausgewählte Bereiche der Verwaltung die Möglichkeit erhalten, die Vier-Tage-Woche für einen begrenzten Zeitraum zu testen und zu evaluieren. In Frage kommen hier Bereiche mit bisher starren Arbeitszeiten. Die Kitas kämen hier beispielsweise in Frage, da hier laut Gesundheitsbericht 2022 aufgrund von „sinkende[n] Gesundheitsquoten und [der] steigende[n] Anzahl der Langzeiterkrankten“3 akuter Handlungsbedarf besteht, aber auch Bereiche wie z. B. die Müllabfuhr böten sich hier an.  

Für eine Vier-Tage-Woche gibt es verschieden mögliche Modelle. Die Verteilung der bisherigen Wochenstunden auf weniger Tage, hierbei wäre neben der Verteilung der Wochenstunden auf vier Tage, auch eine Verteilung der Wochenstunden von zwei Wochen auf neun Tage denkbar, da so die Belastung der einzelnen Tage verringert wird und gleichzeitig dennoch alle zwei Wochen ein zusätzlicher freier Tag entsteht, diese beiden Verteilungsmöglichkeiten sind auch durch das Arbeitszeitgesetz gedeckt, da im Schnitt die 8 Stunden werktäglich durch die zwei freien Werktage nicht überschritten werden (ArbZG §3). Lediglich die Pausenzeit müsste ab einer Stundenzahl von 9 Stunden auf 45 min verlängert werden (ArbZG §4).

Das andere Modell wäre eine Verkürzung der Arbeitszeit auf bspw. 36 Wochenstunden also 9 Stunden pro Tag bei vollem Lohnausgleich. Eine Verkürzung der Wochenstunden kommt zunächst wegen des TVöD nicht infrage, obwohl die bisherigen Versuche keinen Produktivitätsrückgang verzeichnen, sondern teilweise sogar eine Produktivitätssteigerung, was vor allem mit weniger Fehlzeiten, stärkere Mitarbeiterbindung und höherer Arbeitszufriedenheit zusammenhängt4

Modellprojekt Vier-Tage-Woche bei gleichbleibender Arbeitszeit

Da für das Modellprojekt also zunächst nur eine Umverteilung der Wochenstunden infrage kommt, soll das Projekt erst einmal unter folgenden Bedingungen stattfinden: Die Verwaltung sucht sich geeignete Bereiche aus, in denen eine Vier-Tage-Woche erprobt wird, den Beschäftigten soll dabei falls möglich freigestellt werden, ob sie jede Woche/alle zwei Wochen einen zusätzlichen freien Tag haben wollen und welchen Tag sie freinehmen. Dadurch, dass sich die Stundenzeit pro Tag erhöht, wären beispielsweise in den Kitas auch längere Betreuungszeiten möglich, was positive Nebeneffekte auf den restlichen Arbeitsmarkt haben kann.

Im Rahmen des Modellprojekts sollen folgende Fragen beantwortet werden:

o   Wie wirkt sich die Vier-Tage-Woche auf die Produktivität und Qualität der Arbeit aus? 

o   Wie wirkt sich die Vier-Tage-Woche auf das Wohlbefinden und die Gesundheit der Mitarbeitenden aus? 

o   Wie wirkt sich die Vier-Tage-Woche auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus? 

o   Wie wirkt sich die Vier-Tage-Woche auf die Arbeitsorganisation aus?

Die Ergebnisse des Modellprojekts sollen ausgewertet und im Anschluss gemeinsam mit den Mitarbeitenden sowie den Personalvertretungen diskutiert werden. Basierend auf den Ergebnissen des Modellprojekts soll dann entschieden werden, ob eine dauerhafte Einführung der Vier-Tage-Woche in der Verwaltung sinnvoll und umsetzbar ist. 

Vier-Tage-Woche mit Reduktion der Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich

Da eine Vier-Tage-Woche mit Reduktion der Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich unter derzeitigen Bedingungen nicht möglich ist, soll sich die Stadt Aachen darüber hinaus in den dafür zuständigen Gremien wie z. B. Kommunaler Arbeitgeberverband Nordrhein-Westphalen (KAV NW), Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGST) und Städtetag stark machen, die Rahmenbedingungen für eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich zu schaffen. Für städtische Verwaltungen gilt das Sparsamkeitsprinzip, was zunächst als widersprüchlich zu einer Reduktion der Wochenarbeitsstunden bei vollem Lohnausgleich scheinen mag, da bisherige Projekte zu Arbeitszeitverkürzung allerdings keine Produktivitätssenkung, sondern allenfalls teilweise sogar eine Produktivitätssteigerung sehen, sollte dies faktisch keinen Wiederspruch darstellen. 

Die Reduktion der Wochenstunden könnte beispielsweise in jährlichen Schritten passieren, bei den nach und nach die Arbeitszeit reduziert wird, bei gleichzeitiger Überprüfung, ob Produktivitätsstandards noch eingehalten werden. Selbst bei einer Senkung der Produktivität und dem dadurch entstehenden Mehrbedarf an Arbeitsstellen hielten sich im öffentlichen Dienst laut Frey die Kosten einer Senkung der Wochenarbeitszeit in Grenzen. Außerdem sei durch die Schaffung von zusätzlichen Stellen und der damit einhergehenden Reduktion der Arbeitslosigkeit sogar möglich, Einnahmen zu generieren, da die Kosten einer solchen Vier-Tage-Woche geringer seien als die zusätzlichen Steuereinnahmen, zusammen mit den Einsparungen sinkender Sozialleistungen5.

Die Einführung einer Vier-Tage-Woche in der öffentlichen Verwaltung bietet zahlreiche Vorteile und kann eine sinnvolle Maßnahme sein, um die Effizienz, Produktivität und Attraktivität der Stadt Aachen als Arbeitgeberin zu steigern. So bietet dieses Modell nicht nur den Mitarbeitenden mehr Flexibilität und eine bessere Work-Life-Balance, sondern hat auch positive Auswirkungen auf das Employer Branding. Eine Institution, die solche Arbeitsmodelle anbietet, signalisiert, dass sie die Bedürfnisse und das Wohlbefinden ihrer Arbeitnehmer*innen ernst nimmt. Dies kann dazu beitragen, qualifizierte Fachkräfte anzuziehen und zu halten, da viele potenzielle Arbeitskräfte nach Arbeitsplätzen suchen, die eine ausgewogene Work-Life-Balance ermöglichen. Ein positives Image als Arbeitgeberin kann also auch dazu beitragen, die Stadt Aachen im Wettbewerb um Talente und Fachkräfte besser zu positionieren, was vor allem in Zeiten des Fachkräftemangels sehr wichtig ist.

 Quellen:

[1] Siegrist, J., & Rödel, A. (2006). Work stress and health risk behavior. Scandinavian Journal of Work, Environment & Health, 32(6), 473–481. http://www.jstor.org/stable/40967599

[2] Statista (2022). Entwicklung von Arbeitsunfähigkeitsfällen und -tagen aufgrund psychischer Erkrankungen in Deutschland in den Jahren 2011 bis 2021 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/246810/umfrage/arbeitsunfaehigkeit-aufgrund-psychischer-erkrankungen/

[3] Stadt Aachen, (2023). Gesundheitsbericht 2022

[4] Carloni Rodriguez, A., & DOMINGUEZ SPANDONARI, E. M. I. L. I. A. (2022). Unravelling the 4-day week: a comprehensive study of its implementation and global impacts, with a focus on Italy.https://www.politesi.polimi.it/handle/10589/207013

[5] Frey, P. (2021). Costing A 4 Day Week in the German Public Sector. Autonomy. https://autonomy.work/wp-content/uploads/2021/10/ZFV7.pdf

Mit freundlichen Grüßen

Fraktion DIE Zukunft

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